Im Herbst 2008 erwarb ich eine kleine Gruppe, 2 Männchen und 1 Weibchen, von Ancistomus sp. „L 208“. Bereits wenige Monate später gelang die Nachzucht dieser sehr schönen Tiere.
Herkunft
Hans-Georg Evers stellte Ancistomus sp. „L 208“ im März 1996 in der DATZ als Neuimport vor. [1] Im Oktober 2000 gelang es ihm selber diese Fische im Rio Jaciparaná, reichlich 100 km südsüdwestlich von Porto Velho zu fangen.Der Rio Jaciparaná ist ein Weißwasserfluss. Von Hans-Georg Evers sind für den Rio Jaciparaná folgende Wasserwerte bekannt: Temperatur 28 °C, Leitfähigkeit 20-40 µS/cm, pH 6,9. [2]Der Rio Jaciparaná gehört nicht zu den herkömmlichen Fanggebieten für Harnischwelse und ist relativ weit abgelegen. Daher wurden in den letzten Jahren sehr wenige dieser Tiere nach Europa importiert.
Einrichtung des Artbeckens
Zufälligerweise hatte ich wenige Tage vor dem Kauf der Tiere ein 240L Aquarium (120 x 40 x 50 cm) eingefahren. Wie üblich hatte ich als Bodengrund Kies der Körnung 1 – 3 mm gewählt. Für die Filterung verwendete ich einen Eheim Aquaball 2212 und einen Sera Luftfilter L150. 2 Heizstäbe zu je 75 Watt dienen der Erwärmung des Wassers. Doppelte Filter und Heizstäbe niedrigerer Leistung sind in unseren Aquarien aus Sicherheitsgründen üblich.5 Standard-Welshöhlen von ca. 18 cm Länge und mehrere Moorwurzeln bildeten ein Zuhause für die Tiere. Das Becken war unbepflanzt und unbeleuchtet.
Ernährung
Die Tiere fütterten wir mit DuplaRin G und XL im Verhältnis von etwa 2:1. Gelegentlich gaben wir auch andere Welstabletten ins Becken. Zwei Mal pro Woche gab es Frostfutter. An verschiedene Gemüse sind die Tiere nie gegangen.
Wasser
Zum Zeitpunkt der Vermehrung konnten folgende Wasserwerte ermittelt werden:
Temperatur | pH | GH | KH | Nitrit | Nitrat | Leitfähigkeit |
28 °C | 6,9 | <1 °dH | <1 °dH | < 0,025 mg/l | <10 mg/l | 112 µS/cm |
Das Wasser wechselte ich derzeit wöchentlich zu ca. 50%. Da das Leitungswasser bzgl. Härte und Leitfähigkeit stark schwankt, wird das Wasser mit einem Vollentsalzer aufbereitet oder Regenwasser, das mit Leitungswasser verschnitten wird, verwendet.
Die Elterntiere
Die Elterntiere waren zum Zeitpunkt des Geleges ca. 13 cm und sind inzwischen ca. 15 cm groß. Männchen und Weibchen lassen sich am deutlichsten an der Körperform (das Weibchen hat eine breitere Taille) und der Genitalpapille (die des Männchens ist spitzer) unterscheiden.Interopercularodontoden, die Odontoden auf dem Pectoralstrahl und auf dem oberen Hartstrahl der Caudale unterscheiden sich bei Männchen und Weibchen nur unwesentlich.
Ancistomus sp. „L 208“, Männchen, Draufsicht
Ancistomus sp. „L 208“, Weibchen, Draufsicht
Ancistomus sp. „L 208“, Männchen, Seitenansicht
Ancistomus sp. „L 208“, Weibchen, Seitenansicht
Ancistomus sp. „L 208“, Männchen, Kopf
Ancistomus sp. „L 208“, Weibchen, Kopf
Ancistomus sp. „L 208“, Männchen, Schwanz
Ancistomus sp. „L 208“, Weibchen, Schwanz
Vermehrung
Anfang Februar 2009 fand ich vor der Höhle des größeren Männchens mehrere herausgewedelte Eier.
Ancistomus sp. „L 208“, ein paar herausgewedelte Eier.
Während der letzten 10 Tage vor der Eiablage war eine deutliche Luftdruckschwankung zu verzeichnen. Ich nehme an, dass die Eiablage durch die Luftdruckschwankungen maßgeblich begünstigt wurde.
Ancistomus sp. „L 208“, Luftdruckveränderungen zum Zeitpunkt des Geleges.
Die herausgewedelten Eier überführte ich, soweit sie noch in einem sehr guten Zustand waren, in einen Brutkasten. Um das Verpilzen der Eier zu verhindern, fügte ich reichlich Erlenzapfen, Seemandelbaumblätter und Sera ectopur – entsprechend der Anleitung – bei. Zum Putzen von Eier und Kasten legte ich einige Turmdeckelschnecken hinzu.Einzelne verpilzte Eier entfernte ich mit einem Skalpell.
Ancistomus sp. „L 208“, Ausbrüten der herausgewedelten Eier im Brutkasten.
Ancistomus sp. „L 208“, Eier am Tag 4.
Ancistomus sp. „L 208“, Eier am Tag 6.
Um zu verhindern, dass noch mehr Eier heraus gewedelt werden, legte ich ein etwa 10 cm langes Holzstück so unter die Höhle, dass der Eingang leicht aufwärts zeigte. Offensichtlich war das Männchen damit unzufrieden: nachts bemerkte ich, wie das Männchen den Kies unter der Höhle mit der Schwanzflosse „beiseite fegte“, bis die Höhle wieder waagerecht lag.Nach ca. 6 Tagen schlüpfte der Nachwuchs und verließ die Höhle. Anschließend schüttelte ich auch den noch den restlichen Nachwuchs aus der Höhle.Insgesamt konnte ich 52 Eier zählen. Davon waren während der ersten 6 Tage sieben abgestorben. 12 Nachzuchttiere schlüpften im Brutkasten und 26 (+7) konnte ich aus der Höhle schütteln.Bei sieben Tieren musste ich einen Knick im Schwanzstiel feststellen. Später wurde die Missbildung noch auffälliger. Dieses betraf ausschließlich Tiere, die in der Höhle geschlüpft waren. Die Ursache war leider nicht zu klären.
Ancistomus sp. „L 208“, 7 Tiere hatten eine Missbildung.
Die geschlüpften Jungtiere setzte ich dann in einen Einhängekasten, dessen Boden mit einer dünnen Schicht Sand bedeckt war. Auch hier wurden zum Sauberhalten Turmdeckelschnecken in den Einhängekasten gegeben.
Ancistomus sp. „L 208“, die ersten Wochen erfolgte die Aufzucht im Einhängekasten.
Etwa ab dem 12. Tag, kurz bevor der Dottersack aufgebraucht war, begann ich mit der Fütterung. Die Kleinen erhielten mehrmals täglich JBL Nobil Fluid, Cyklop Eeze, JBL Novo Tom und zermahlene JBL Tabis.Bis dahin waren die Jungtiere grau schimmernd gefärbt. Jegliche farbliche Ähnlichkeit zu den Elterntieren fehlte. Am 12. Tag konnte ich am Schwanzstiel den Beginn der Umfärbung bemerken. Innerhalb der nächsten 9 Tage färbten sich die Tiere so, dass sie ihren Eltern sehr ähnlich wurden.
Ancistomus sp. „L 208“, Tag 5, die Jungtiere sind grau gefärbt.
Ancistomus sp. „L 208“, Tag 21, die Jungtiere nehmen nun die Färbung ihrer Eltern an.
Nach ca. 2 Monaten setzte ich die Nachzuchten aus dem Einhängekasten in ein 60 Liter-Becken in einer Anlage um. Seit diesem Zeitpunkt bekamen sie das gleiche Futter, wie ihre Eltern.Anfang November 2009 hatten die meisten der Nachzuchttiere eine Gesamtlänge von ca. 9,5 cm erreicht. Mit reichlich 1 cm Wachstum pro Monat sind die Tiere relativ schnell gewachsen.
Ancistomus sp. „L 208“, Wachstum der Nachzuchten
Über den Tellerrand geblickt
Zwischenzeitlich wurde mir bekannt, dass wenig später einem anderen Aquarianer ebenfalls die Nachzucht von Ancistomus sp. „L 208“ gelungen ist.Inzwischen sind einige Jahre vergangen. Eine erneute Nachzucht ist mir nicht bekannt. Auch die Nachzucht der Nachzucht lässt auf sich warten.April 2016: Ingos Seidel berichtete mir, dass die Nachzuchten, die er 2009 von mir erhalten hat, Nachwuchs bekommen haben – also im Alter von 7 Jahren. Gezielt angesetzt waren sie nicht. Sie schwammen eines Tages im Aquarium. Ein typischer Fall von „Eben da“-Welsen.
Verwendete Quellen:
- [1] Hans-Georg Evers „Harnischwelse aus Venezuela und Brasilien“, DATZ 3/1996 S. 141
- [2] Hans-Georg Evers „Naturschutz mit und für den Menschen“, Aquaristik Fachmagazin Feb./März 2002, Nr. 163, Sn. 50 – 56