2. Internationale L-Wels-Tage – Tag 2 – 05.11.2011

Am zweiten Tag sollte es schon relativ früh, 9:00 Uhr losgehen.
Für den einen oder anderen war das wohl viel zu früh. Wie ich mir sagen lassen habe, ist das zum Beispiel einer erst ins Bett gegangen als von seinem Zimmermitbewohner der Wecker zum Aufstehen klingelte.

Jens Gottwald hatte die Aufgabe mit seinem Vortrag “L-Wels-Importe im Wandel der Zeit” alle wieder munter zu machen.

Als einer der deutschen Pioniere beim Import von L-Welsen fiel ihm dieses nicht schwer.

So erinnerte er sich u. a. daran, dass 1988 ein Baryancistrus sp. “L 18” (heute Baryancistrus xanthellus) 179 DEM und ein Pseudacanthicus sp. “L25” 500 DEM kostete.Der Export von Harnischwelsen aus Brasilien ist im Wesentlichen auch eine Geschichte von Positivlisten und deren Umsetzung verbunden. Jens stellte uns die Historie der Positivlisten dar und diskutierte diese.
(Siehe auch: “Positivlisten in Brasilien“)Der zweite Vortrag am Samstag war sicherlich der, der am meisten erwartet wurde:
Henrique Anatole zum “Zukunft des Zierfischhandels in Brasilien“.

Um den Zierfischhandel sinnvoll beeinflussen zu können, hat man während der letzten Jahre in Brasilien die aktuelle Situation analysiert und überlegt an welchen Stellen die IBAMA Einfluss nehmen kann.

So wurde zum Beispiel festgestellt, dass der Umsatz von 2006 bis 2009 um etwa 60% angestiegen ist während die Anzahl der exportierten Fische um ca. 40% abnahm. Ursache dafür ist, dass inzwischen auch immer mehr Fische nachgezogen werden. So ist z. B. der Export vom Roten Neon (Paracheirodon axelrodi) extrem zurückgegangen. Das Interesse an Harnischwelsen und Rochen hat dagegen zugenommen.Zierfische werden hauptsächlich in den 4 Bundesstaaten Amazonas, Roraima, Pará und Mato Grosso gefangen. Dazu kommen dann nur noch einige kleine Küstenregionen. Bei der Größe von Brasilien ist daher davon auszugehen, dass es noch sehr viele Arten gibt, die als Zierfische interessant sein werden.Aus der Analyse wurden dann als Aufgaben wurden dann, die Erstellung eines elektronischen Kontrollsystems und die Überarbeitung der Positivliste abgeleitet.
Seit 2009 muss über die Positivliste auch das Ministerium für Fischerei und Aquakultur (MPA) mit entscheiden. Dieses verzögert(e) die Überarbeitung der Liste erheblich. Die neue Positivliste wird voraussichtlich noch in diesem Monat beschlossen. Henrique Anatole hat insbesondere folgende Harnischwelse zusätzlich zur alten Liste für die neue Liste empfohlen:

Vorgeschlagen wurden für die neue Liste zusätzlich:

76 Corydoras
28 neue Apistogrammainsgesamt 725 ArtenWichtig ist ihm, dass er nun im Gegensatz zur alten Liste genau weiß, warum eine Art auf der Liste steht oder auch nicht.Weiter stellt Henrique Anatole fest, dass es die letzte Positivliste sein wird, auf der unbeschriebene Arten aufgenommen worden sind.Er begründet es damit, dass es sehr wichtig ist, dass die betreffenden Fische genau bekannt sind.
Daher wurden z. B. auch in Manaus, Sao Paulo und noch einem dritten Ort (muss mal grübeln, dass der mir noch einfällt) jeweils Exemplare der auf der Positivliste stehenden Tiere hinterlegt.
Weiterhin verspricht er sich davon, dass wenn der Handel eine Art für den Export entdeckt, Geld bereitstellt um die Art zu beschreiben, so dass diese dann genehmigt werden kann.(Hier habe ich gewisse Zweifel: Welcher Händler gibt mehrere tausend Real (2 BRL ~ 1 EUR) aus, um dann nach vielleicht 6 Jahren für Beschreibung und Erkundung zu erfahren, dass die Art nicht exportiert werden darf?)Enrique Anatole berichtet weiter, dass der Export der Welse nicht mehr ausschließlich über die Positivliste geregelt ist. Für Arten, die nicht auf der Positivliste stehen, soll in beschränkte Stückzahlen es möglich sein Sondergenehmigungen zu erhalten.Auf Nachfrage erklärte Enrique Anatole, dass wenn eine Art, die auf der Positivliste steht, umbenannt wird – also zum Beispiel einer anderen Gattung zugeordnet wird – automatisch, unbürokratisch auch auf der dann gültigen Positivliste umbenannt werden soll.

Weiter diskutierte Enrique Anatole die Frage, ob es besser sei, Aquarienfische aus Nachzuchten zu gewinnen als durch die Entnahme aus natürlichen Habitaten. Dabei geht es insbesondere um den Schutz der Umwelt. Dabei stellt der Zierfischfang einen sehr schonenden Umgang mit der Umwelt dar. Die Fänger sind an dem Erhalt der Umwelt interessiert, da hier die Fische nachwachsen, die sie benötigen. Andere Alternativen in diesen Regionen sind oft nur Holzwirtschaft und Bergbau. Beides ist für die Umwelt sehr schlecht.
Beispielgebend ist ein Projekt mit Arowanas.Wichtig ist aber immer der Konsens zwischen allen Interessenten.
Aber insbesondere der Kunde (Aquarianer) bestimmt den Markt, bestimmt welche Fische gefangen werden.wenn man die ganze Zeit aufmerksam den Vorträgen lauscht, muss natürlich auch für die Verpflegung gesorgt sein.

und wenn noch etwsa Zeit war, konnte man auch shoppen gehen.

Im dritten Vortrag des Tages berichtet uns Christian Cramer, wie es ihn vor ein paar Jahren nach Brasilien verschlagen hat:
Der Welse wegen nach Brasilien – eine Doktorarbeit mit Folgen

Ursprünglich hatte Christian ein Projekt in Hinblick auf die Ancistrinae (heute Tribus Ancistrini) geplant gehabt.

Nach einem Disput mit J. W. Armbruster hatte er sich dann entschieden, seine Doktorabeit über Hypoptopomatinae und Neoplecostominae.

Christian erzählte uns von seinen ersten Erlebnissen in Brasilien und wie er sich im Lauf der Jahre dort doch recht gut eingelebt hat.
Schließlich hat er in Brasilien geheiratet und arbeitet nun an einem Projekt in Porto Velho.Ingo Seidel informierte im vierten Vortrag des Tages über die Geschlechtsunterschiede bei Harnischwelsen.

Wesentliche Unterscheidungsmerkmale fand er:

  1. die Größe
  2. Körperumfang
  3. Färbung
  4. Kopfform
  5. Flossengröße und -länge
  6. Bewuchs mit Odontoden
  7. Bewuchs mit Tentakeln
  8. Form der Genitalpapille
  9. Form der Zähne

 Leider treffen all diese Merkmale nicht auf alle Harnischwelsarten zu und wenn eines diese Kriterium bei einer Art in Betracht gezogen werden kann, muss der Unterschied nicht immer deutlich ausgeprägt sein.
Man sollte sich also nicht auf ein einzelnes Merkmal konzentrieren, sondern das Individum als ganzes Betrachten.

Hier erklärt Ingo Seidel z. B. wie man bei Hypancistrus sp. “L 333” die Geschlechter an der Kopfform unterscheiden kann.

Ein anderes Beispiel: Der Geschlechtsunterschied bei Lasiancistrus saetiger (L 322) wird durch den Odontodenbewuchs deutlich. Ingo zeigt, auf was man achten muss.Erwährt sei noch, dass Ingo die Unterscheidung der Geschlechter auf Basis der Genitalpapille als sehr schwierig sieht. Andere Merkmale sind da meist offensichtlicher.Eines der Hauptthemen der diesjährigen L-Wels-Tage waren die Kaktuswelse, die Gattung Pseudacanthicus. Mit Ausnahme von Pseudacanthicus leopardus dürfen auf Grund der derzeit gültigen Positivliste keine Kaktuswelse aus Brasilien exportiert werden. Anzumerken ist, dass man in Brasilien dabei nicht zwischen Pseudacanthicus leopardus und Pseudacanthicus sp. “L 114” unterscheidet.Ingo Seidel eröffnete den Vortragsblock mit dem “Überblick über die Gattung Pseudacanthicus“.

Zunächst ging Ingo Seidel auf die Systematik der Pseudacanthicus ein.
Armbruster hat die Pseudacanthicus zusammen mit den Gattungen

  • Acanthicus
  • Leporacanthicus
  • Megalancistrus

 in der Acanthicus-Gruppe zusammengefasst.Ingo unterteilt die Pseudacanthicus ihrerseits in vier Gruppen:


Die Unterscheidung der Geschlechter war ein weiterer Hauptpunkt in Ingos Vortrag.

Zur Stimulation empfiehlt Ingo:

  • Temperaturänderung
  • Absenken des pH-Wertes
  • zusätzliche Strömung
  • Große Wasserwechsel mit etwas kühlerem Wasser

Weitere Vortragspunkte waren die Aufzucht des Nachwuchses, das Vorkommen der Pseudacanthicus in Südamerika u.v.m.Im 6. Vortag des Samstages berichtete Volker Degutsch über seine erfolgreiche Vermehrung von Pseudacanthicus leopardus und Pseudacanthicus sp. “Alenquer”.Udo Wanniger berichtete anschließend in seinem Vortrag “Pflege und Zucht von Pseudacanthicus sp.” über seine Erfahrungen, die er bei der Nachzucht von Pseudacanthicus sp. “L 114” und Pseudacanthicus sp. “L 97” machen konnte.


Bei Kaktuswelsen geht es auch mal heiß her, so dass sich die Tiere verletzen. Gut zu Wissen, wie man offene Wunden (sicherlich nicht nur bei) Pseudacanthicus behandeln kann. Johannes Leuenberger vom Zoo Basel erklärte uns die Grundlagen und die Durchführung der “Wundbehandlung bei großen Harnischwelsen am Beispiel von Pseudacanthicus sp. (L 25)”.

Aus dem Koi-Bereich ist ein “2-Komponenten-Kleber” für die Behandlung großflächiger, offener Wunden sehr hilfreich:

Die Referenten auf einen Blick:

Auch wenn es noch weiter ging an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an sie.

Geoff Haglund kam extra aus Neuseeland nach Hannover.Als kleine Überraschung gab es noch eine Zugabe von Jens Gottwald. Er war erst wenige Tage vorher aus Französisch Guyana zurückgekehrt.


Jens Gottwald konnte zum Beispiel Pseudacanthicus fordii
in Französisch Guyana fangen. Französisch Guyana ist für Fischfreunde insbesondere dadurch interessant, da das “Land” zu Frankreich und damit zur EU gehört.