Hypancistrus sp. "L 411" – Haltung und Zucht

Im Februar 2006 haben wir eine vierköpfige Gruppe Hypancistrus sp. «L 411» – Nachzuchten im Welsladen Chemnitz erworben. Über unsere Erfahrungen mit diesen Tieren möchte ich Euch heute berichten.

Einordnung

Die Gattung Hypancistrus wurde 1991 von Isbrücker und Nijssen aufgestellt. [1]
„Hyp“ – vom griechischen hypo (unter) abgeleitet deutet auf die reduzierte Bezahnung der Tiere hin.

Maul von Hypancistrus sp. L411

Hypancistrus sp. «L 411», Maul mit «reduzierter Bezahnung»

«Ancistrus» wurde aus dem Tribus Ancistrini (Kner, 1853) abgeleitet, dessen Tiere sich durch die Odontoden auf dem Kiemendeckel (oft als Interopercular-Odontoden bezeichnet) auszeichnen. Da es sich hier um eine noch recht junge Gattung handelt, werden in etwas älterer Literatur diese Tiere als Ancistrinae angesprochen oder der Sammelgattung Peckoltia zugeordnet.[2]Für Harnischwelse, die bisher nicht wissenschaftlich beschrieben wurden, wird zur genaueren Bezeichnung die L-Nummer verwendet, die die jeweilige Art bei ihrer Vorstellung in der DATZ erhielt.
Die Art erhielt in der DATZ 12/2007 die L-Nummer: «L 411». Vor Dezember 2007 wurde die Art oft als Hypancistrus sp. «Monte Dourado» bezeichnet. [3]Ähnliche Welse sind Hypancistrus sp. «L 260» und Hypancistrus sp. «L 318».
Hypancistrus sp. «L 411» lassen sich gegenüber Hypancistrus sp. «L 260» durch folgende Merkmale unterscheiden:

 

    • sie sind hochrückiger

 

    • sie haben ein stärker gewundenes Muster

 

    • sie sind blasser und nicht so kontrastreich

 

Hypancistrus sp. «L 411» werden bis ca. 15 cm groß. [3]

Herkunft

Die Art stammt aus dem Rio Jari, dem Grenzfluss der Bundesstaaten Pará/Amapá, Brasilien. Es ist ein Klarwasserfluß.

Haltung

Wie bei anderen Hypancistrus ist die Haltung sehr einfach. Außer sauberes, warmes und sauerstoffreiches Wasser stellen sie keine besonderen Ansprüche und lassen sich unter diesen Bedingungen relativ einfach vermehren.
Die Tiere haben sich bei uns als sehr scheu herausgestellt. Sehr schnell zeigten sie bei scheinbarer Gefahr eine Stressfärbung: auffällig blass hellgrau.Wir halten diese Gruppe in einem Artbecken (60 cm x 50 cm x 30 cm = 90 Liter) unserer Anlage bei folgenden Wasserwerten:

 

Temp. pH GH KH (SBV) Leitf.
28 – 29 °C 7,0 – 7,2 4 – 7 2 – 4 200 – 350 µS/cm

Tabelle 1: Wasserwerte im Zuchtbecken

Wasserwerte im Zuchtbecken

Die Anlage wird zentral über einen Rieselfilter gefiltert. Im Filterbecken wird das Wasser durch 3 Stabheizer entsprechend erwärmt.
Zusätzlich ist das Becken mit einem Sprudelstein versehen, der an die zentrale Luftversorgung über eine Ringleitung mit Kompressor angeschlossen ist.
Als Bodengrund verwenden wir eine 1 cm – dicke Kiesschicht mit einer Körnung 1 – 3 mm.
Das Becken ist eingerichtet mit mehreren einseitig offenen Welshöhlen, zwei Moorwurzeln und zwei halben Kokosnussschalen.
Das Wasser wird wöchentlich zu ca. 25% gewechselt. Für das Wechselwasser mischen wir Leitungswasser und vollentsalzenes Wasser bzw. Regenwasser im Verhältnis 4:1.

Möglichkeit der Hybridisierung

Von verschiedenen Hypancistren sind Hybriden bekannt. Zum Beispiel:
Hypancistrus zebra (L 46) x Hypancistrus sp. «L 260»
Hypancistrus zebra (L 46) x Hypancistrus sp. «L 66″Diese Hybriden konnten auch weiter vermehrt werden. Sie sind vertil.Es ist davon auszugehen, dass gleiches auch für Hypancistrus sp. «L 411» gilt. Sie sollten also nicht mit anderen Hypancistren vergesellschaftet werden. Hypancistrus sp. «L 411» wurde (früher) oft zusammen mit Hypancistrus sp. «L 260» importiert. Heute ist also von diversen Hybriden beider Arten auszugehen. [3]

Futter

Hypancistrus sp. «L 411» sind Allesfresser, die wie viele andere Hypancistrus einen deutlichen Trend zur carnivoren Ernährung aufweisen.
Bei uns erhalten diese Tiere überwiegend DuplaRin XL, gelegentlich auch DuplaRin G oder JBL Tabis. Gemüse blieb fast immer unberührt.Kurz vor dem Aufbrauchen des Dottersacks beginnen wir die Larven mit JBL Nobil Fluid zu füttern. Etwa eine Woche später erhalten die Kleinen ein Gemisch aus Cyklop Eeze, JBL Novo Tom und zermahlene JBL Tabis. Später erhalten sie auch DuplaRin S bzw. M.

Geschlechter

Männchen und Weibchen lassen sich wie folgt unterscheiden:
Männchen haben

 

    • einen breiteren, spitzeren Kopf

 

    • längere Interopercularodontoden

 

    • stärkeren Odontodenbewuchs auf dem ganzen Körper

 

    • eine spitzere Genitalpapille

 

 

 

Männchen Weibchen
 
Hypancistrus sp. "L411" Männchen
 
Hypancistrus sp. "L411" Weibchen
 
Hypancistrus sp. "L411" Männchen
Hypancistrus sp. "L411" Weibchen
 
Hypancistrus sp. "L411" Männchen genitalpapille
Hypancistrus sp. "L411" Weibchen Genitalpapille

 

Vermehrung und Aufzucht

Hypancistrus sp. «L 411» sind wie andere Hypancistrus relativ einfach zu vermehren. Regelmäßige Wasserwechsel, hohe Temperaturen und abwechslungsreiche Ernährung scheinen vollkommen ausreichend zu sein.

 
Hypancistrus sp. "L411" Gelege

Hypancistrus sp. «L 411», 8. Gelege, 36 Eier

Die Nachzuchten bei uns: 

 

Datum Anzahl Temp. pH GH KH (SBV) Leitf.
01.12.07 2 29 7,2 5 2 186 µS/cm
13.01.08 16 28 7,4 7 3 350 µS/cm
08.04.2008 17 29 7,2 5 3 316 µS/cm
19.05.2008 15 29 7,2 5 3 288 µS/cm
23.08.2008 5 28 7,2 7 4 321 µS/cm
03.11.2008 5 28 7,0 5 2 265 µS/cm
27.01.2009 16 28 7,0 4 2 220 µS/cm
06.03.2009 36* 28 7,2 5 2 284 µS/cm
25.04.2009 8 28 7,2 5 3 283 µS/cm

Tabelle 2: Unsere Nachzuchten von Hypancistrus sp. «L 411» (* Eier – da Gelege entnommen)Im Gegensatz zu anderen Hypancistrus, wie z. B. Hypancistrus sp. «L 66», gestaltet sich die Aufzucht etwas problematischer. Die Nachzuchten scheinen anfälliger gegen Krankheiten zu sein. Bei der Aufzucht im Elternbecken wuchsen schätzungsweise nur etwa halb so viele auf, wie im Einhängekasten. Bei der Aufzucht im Einhängekasten (Wasserwerte siehe oben) im Elternbecken wurden mehr Tiere groß, jedoch war bei ca. 40% Mopsköpfigkeit zu erkennen.

Hypancistrus sp. "L411" Mopskopf

Hypancistrus sp. «L 411» Mopskopf

Bessere Aufzuchtergebnisse konnten wir erzielen, nach dem wir die wenigen Tage alten Welse in Einhängekästen setzen, die sich in unserem Zuchtbecken für Hypancistrus zebra befinden. Die Wasserwerte dort sind

 

Temp. pH GH KH (SBV) Leitf.
28 – 29 °C 6,0 – 6,4 1 1 100 – 200 µS/cm

Tabelle 3: Wasserwerte – optimaleres AufzuchtbeckenDort konnten wir nur einzelne Verluste feststellen. Das Phänomen der Mopsköpfigkeit war in diesem Becken nicht mehr zu beobachten. Es ist anzunehmen, dass der niedrige pH-Wert Erkrankungen verhindert.Beim Aufwachsen im Einhängekasten konnten wir hier folgenden Wachstumsfortschritt erkennen:

 

Tag Länge in mm
13. 16
20. 18
27. 21
34. 24
41. 26
48. 26
55. 26

 

Tabelle 4: Wachstumsfortschritt

Hypancistrus sp. "L411" wenige Stunden nach dem Schlupf

Hypancistrus sp. «L 411» wenige Stunden nach dem Schlupf

Hypancistrus sp. "L411" am 8. Tag nach Schlupf

Hypancistrus sp. «L 411» am 8. Tag nach dem Schlupf

 

Hypancistrus sp. "L411" am 10. Tag nach Schlupf

Hypancistrus sp. «L 411» am 10. Tag nach dem Schlupf

 

Hypancistrus sp. "L411" 13 Tage nach Schlupf

Hypancistrus sp. «L 411», 13 Tage nach dem Schlupf

 

Hypancistrus sp. "L411" 13 Tage nach Schlupf

 

Hypancistrus sp. "L411" 20 Tage nach Schlupf

Hypancistrus sp. «L 411» 20 Tage nach Schlupf

 

Hypancistrus sp. "L411" 20 Tage nach Schlupf

 

Hypancistrus sp. "L411" 48 Tage nach Schlupf

Hypancistrus sp. «L 411» 48 Tage nach Schlupf

Exportverbot

Seit Herbst 2008 ist der Export von Hypancistrus aus Brasilien nicht mehr legal möglich. [4] Davon ist auch Hypancistrus sp. «L 411» betroffen. Einige wenige Tiere kommen aber immer noch nach Europa. Die Arbeitsgruppe L-Welse der IG BSSW hat daher diese «Art» in ihr Programm aufgenommen. Da die Verbreitung der Art in heimischen Aquarien noch nicht ausreichend beurteilt werden kann, wurde die Art in die Kategorie «Bestand gefährdet» eingeordnet. [5]FazitHypancistrus sp. «L 411» ist ein einfach zu haltender Harnischwels. Die Vermehrung selber ist simpel. Die Aufzucht gestaltet sich jedoch etwas schwieriger als bei anderen Hypancistrus-Arten. Da die Art nicht mehr offiziell aus Brasilien exportiert werden darf, muss darauf geachtet werden, dass sie aus unseren Aquarien nicht verschwindet.

Quellen